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Elektronischer Rechtsverkehr – Einlegung des Rechtsmittels

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Elektronischer Rechtsverkehr – Einlegung des Rechtsmittels

Der elektronische Rechtsverkehr bringt leider nicht nur Erleichterungen mit sich sondern hat auch seine Besonerheiten, die jeder Rechtsanwalt / Rechtsanwältin beachten sollte. Das OLG Karlsruhe hatte sich im OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. August 2019 – 2 Rb 8 Ss 386/19 – mit der Frage zu beschäftigen, ob die Rechtsbeschwerdebegründung form- und fristgerecht erfolgte, wenn der Schritsatz vom Verteidiger zwar über das beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) eingereicht, von diesem aber entgegen § 32a StPO nicht unterzeichnet / mit einer qeS versehen war.

 

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. August 2019 – 2 Rb 8 Ss 386/19

 

„Dem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.
1. Es liegt ein Fall der Säumnis vor, da die frist- und formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde nicht nachgewiesen ist. Denn dazu bedarf es des vollen Nachweises, wobei der Zweifelsgrundsatz nicht gilt (vgl. BGH NStZ 2009, 174). Dieser Beweis ist wegen des Widerspruchs zwischen dem vom Verteidiger vorgelegten Prüfprotokoll und dem gerichtlichen Empfangsprotokoll hinsichtlich einer qualifizierten Signatur vorliegend nicht geführt.
Damit fehlt es an einer innerhalb der Frist der § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO erfolgten den gesetzlichen Formvorschriften entsprechenden Rechtsbeschwerdebegründung. Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf der Grundlage des gerichtlichen Empfangsprotokolls in ihrer Antragsschrift vom 23.5.2019 zutreffend ausgeführt:
„Der Schriftsatz vom 18.12.2018, der die Begründung der Rechtsbeschwerde enthält, ist nicht – wie §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 345 Abs. 2 StPO grundsätzlich vorsieht – in einer durch den Verteidiger unterzeichneten Schrift angebracht. § 41a Abs. 1 StPO a.F. sieht zwar grundsätzlich vor, dass eine schriftlich abzufassende und zu unterzeichnende Begründung auch als elektronisches Dokument eingereicht werden kann. Gemäß der Übergangsregelung zum Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (EAEGÜR) i.V.m. § 15 EGStPO fand § 41a StPO noch bis zum 31.12.2018 Anwendung und ist daher vorliegend maßgeblich.
Die Voraussetzungen von § 41a Abs. 1 StPO sind jedoch nicht erfüllt. Der elektronisch übermittelte Schriftsatz vom 18.12.2018 war – wie sich aus dem gerichtlichen Eingangsprotokoll ergibt (AS 137) – nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, wie es § 41a Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich vorschreibt. Diese Vorschrift sieht in Abs. 1 S. 2 zwar vor, dass neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres Verfahren durch Rechtsverordnung zugelassen werden kann. Die insoweit bis 31.12.2018 maßgebliche LERVVO sah in § 7 alternativ zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur vor, dass ein Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem näher definierten sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Entgegen den Angaben des Verteidigers wurde der Schriftsatz nicht vom – in § 7 Abs. 2 Nr. 2 LERVVO genannten – besonderen elektronischen Anwaltspostfach aus übermittelt. Vielmehr erfolgte die Übermittlung ausweislich des gerichtlichen Eingangsprotokolls über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP). […] Im Übrigen setzt auch die Übermittlung vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach voraus, dass das elektronisch übermittelte Dokument durch die verantwortende Person (handschriftlich) signiert wird, § 7 Abs. 1 LERVVO. Eine solche Signatur weist der Schriftsatz vom 18.12.2018 aber nicht auf.“
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 44 StPO) liegen vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Verteidiger an der nicht ordnungsgemäßen Übermittlung des Begründungsschriftsatzes ein Verschulden trifft, da dieses jedenfalls dem Betroffenen nicht zuzurechnen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 44 Rn. 18 m.w.N.). Das Vertrauen des Betroffenen auf eine fristwahrende Übermittlung des Begründungschriftsatzes am 18.12.2018 ist erst durch die Möglichkeit der Kenntnisnahme des mit Verfügung des Senats vom 28.6.2019 mitgeteilten gerichtlichen Empfangsprotokolls beseitigt worden. Da inzwischen die Rechtsbeschwerdebegründung formgerecht nachgeholt worden war, kann danach gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen erfolgen.

III.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entzieht dem Verfahren nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 StPO die Grundlage (BGHSt 11, 152; Beschluss vom 6.8.2013 – 1 StR 245/13, juris); der die Rechtsbeschwerde als unzulässig verwerfende Beschluss des Amtsgerichts Wertheim vom 20.3.2019 ist damit gegenstandslos (LR-Franke, StPO, 26. Aufl., § 346 Rn. 38 m.w.N.).


IV.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wertheim vom 9.10.2018 ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 11.07.2019 Bezug genommen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Einlassung des Betroffenen der Annahme einer vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung im festgestellten Umfang nicht entgegensteht. Soweit er dabei geltend gemacht hat, erst während des Überholvorgangs die durch Verkehrszeichen erfolgte Geschwindigkeitsbeschränkung erkannt zu haben, bedurfte es keiner weiteren Feststellungen, nachdem sich aus der Einlassung des Betroffenen nicht ergibt, dass die Überschreitung der danach zulässigen Geschwindigkeit zum Ausschluss einer nicht anders abwendbaren Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erforderlich war. Hinsichtlich eines nachfolgenden, ebenfalls überholenden Fahrzeugs ergibt sich aus der Einlassung des Betroffenen selbst, dass dieses in „normalem“ Abstand hinter ihm fuhr, was darauf schließen lässt, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit ohne Gefährdung des nachfolgenden Fahrzeugs möglich war. Eine Gefährdung entgegenkommenden Verkehrs wurde nicht geltend gemacht.
Soweit von dem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV regelmäßig anzuordnenden Fahrverbot trotz der vom Betroffenen damit verbundenen Auswirkungen nicht abgesehen wurde, lässt dies Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen. Zum Wesen und Zweck des Fahrverbotes als einer Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme mit Erziehungsfunktion für den Betroffenen (BVerfGE 27, 36, 42; BGHSt 38, 106, 110; BayObLG NJW 2004, 100; OLG Bamberg NZV 2011, 208; OLG Zweibrücken NZV 2014, 479) gehört, dass mit ihm – auch erhebliche – Erschwernisse in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einhergehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 24.7.2018 – 1 OWi 6 SsBs 67/18, juris m.w.N.). Dass dem Betroffenen hingegen durch das Fahrverbot die Wahrnehmung ärztlicher Termine in Lohr und Würzburg, auf die der Betroffene zur Erhaltung seines Gesundheitszustandes angewiesen ist, unmöglich gemacht wird, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Soweit in diesem Zusammenhang in der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet wird, an seinem Wohnort bestünde keine Bahnverbindung, steht dies im Widerspruch zu den im Urteil getroffenen, für die Beurteilung durch den Senat allein maßgeblichen Feststellungen.“