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Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr wegen „Ausbremsen“

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Verkehrsstrafrecht

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr wegen „Ausbremsen“

Eine wie ich finde interessante Entscheidung -wenngleich ihr auch keine wesentlichen Neuheiten zu entnehmen sind- ist der BGH, Beschluss v. 21.06.2016 – 4 StR 1/16 der eine Konstellation des Ausbremsens im Straßenverkehr behandelt. Der Senat nimmt nochmal Stellung dazu, wann in solchen Fällen von einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ausgegangen werden kann:

„Die Verurteilung des Angeklagten B. begegnet in zweifacher Hin-sicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Soweit das Landgericht das Ausbremsen des Nebenklägers als fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne von § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB gewertet hat, wird der Schuldspruch von den Feststellungen nicht getragen.

Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Februar 2016 zutreffend ausgeführt:

„Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird dann von § 315b StGB erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu ‚pervertieren‘, und es ihm darauf ankommt, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 275/03 –, BeckRS 2004, 00459 m.w.N.). Darüber hinaus setzt die Strafbarkeit nach § 315b StGB voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09 –, NStZ 2010, 216f). Schließlich muss das Fahrzeug mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht werden (Senatsurteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02 –, BGHSt 48, 233).

Gemessen daran vermögen die Feststellungen der Strafkammer einen fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB nicht zu begründen. Der Mitangeklagte S. reduzierte seine Geschwindigkeit kurz nach dem Ortseingang von L. zunächst auf ca. 50 km/h und bremste dann an einer bewusst ausgesuchten Engstelle ohne Veranlassung durch die Verkehrslage bis zum vollständigen Stillstand ab (UA S. 7, 14). Der Nebenkläger konnte nicht ausweichen und musste ebenfalls scharf abbremsen, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Anhaltspunkte für eine Vollbremsung des Mitangeklagten S. bestehen nicht (UA S. 15). Der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen betrug zunächst zwischen 15 und 20 Metern und verringerte sich infolge der starken Bremsung sukzessive, bis die beiden Fahrzeuge schließlich im Abstand von wenigen Metern zueinander zum Stehen kamen (UA S. 7, 14f). Die Angeklagten erkannten zwar, dass ihr Bremsvorgang die Gefahr eines Zusammenstoßes schuf, vertrauten aber darauf, dass sich dieses Risiko nicht verwirklichen würde (UA S. 7). Unbeschadet dessen enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zum Wert der beteiligten Fahrzeuge.

Damit ist zwar belegt, dass die Angeklagten in verkehrsfeindlicher Gesinnung ein Hindernis im Sinn des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereiteten, indem sie den Geschädigten ohne verkehrsbedingte Veranlassung ausbremsten. Eine konkrete Gefährdung des Geschädigten oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert kann den getroffenen Feststellungen indes nicht entnommen werden. Die von der Strafkammer angenommene Konstellation des ‚Beinaheunfalls‘ (vgl. UA S. 23) wird von den Feststellungen nicht getragen. Zudem fehlt es am erforderlichen Schädigungsvorsatz. …“

b) Ferner werden unter dem Gesichtspunkt natürlicher Handlungseinheit sämtliche zum Nachteil des Nebenklägers verwirklichten Tatbestände auf Grund der ununterbrochen fortdauernden, nötigenden Einwirkung auf diesen vom Ausbremsen seines Fahrzeugs bis zur Flucht zur Tateinheit verbunden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 335).

2. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die Grundlage einer tateinheitlichen Verurteilung auch wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bilden könnten. Er ändert daher, wie aus der Beschlussformel ersichtlich, den Schuldspruch. Diese Änderung entzieht dem Strafausspruch die Grundlage, zumal das Landgericht nicht erkennbar geprüft hat, ob wegen der Entschuldigung des Angeklagten und seiner Zahlung von 280 Euro an den Nebenkläger eine Strafmilderung nach den §§ 46a Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist.

3. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils im Übrigen hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

III. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. führt zudem zu einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich des Mitangeklagten S. sowie zur Aufhebung des ihn betreffenden Rechtsfolgenausspruchs (§ 357 StPO).

Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts können auch die Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB nicht bestehen bleiben. Sofern für die rechtswidrige Tat nicht die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB gilt, erfordert die Prüfung der charakterlichen Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine dem Tatrichter vorbehaltene Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 97; Beschluss vom 17. Mai 2000 – 3 StR 167/00, BGHR StGB § 69 Abs. 1; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 69 Rn. 62 mwN).“