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Auto bei Probefahrt gestohlen & gutgläubiger Erwerb

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Auto bei Probefahrt gestohlen & gutgläubiger Erwerb

Wird ein Auto zu einer unbeaufsichtigten Probefahrt überlassen und wird das Fahrzeug daraufhin nicht mehr zurückgebracht, so kann ein Dritter an dem Fahrzeug gutgläubig Eigentum erwerben, so der BGH, Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19. Das Fahrzeug kommt in diesen Fällen grundsätzlich nicht abhanden, sondern wurde bewusst aus den Händen gegeben, so dass gutgläubiger Erwerbs möglich wird und der ursprüngliche Eigentümer sein Eigentum am Fahrzeug verliert.

 

BGH, Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19

 

„Leitsätze

  1. a) Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht Besitzdiener des Verkäufers.
  2. b) Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt zu einem freiwilligen Besitzverlust.
  3. c) Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall nicht zurückgegeben, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor.

Gründe:

[…]

  1. a) Nach § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt ein gutgläubiger Erwerb auf Grund der §§ 932 bis 934 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhandengekommen war. Der unfreiwillige Besitzverlust entwertet nämlich den unmittelbaren Besitz und die an ihn anknüpfende Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB) als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs (Senat, Urteil vom 13. Dezember 2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 21). Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer abhanden, wenn dieser den Besitz an ihr unfreiwillig verliert (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember 2013 – V ZR 58/13, aaO Rn. 8 mwN). Die Klägerin hat ihren unmittelbaren Besitz nicht deshalb unfreiwillig verloren, weil der vermeintliche Kaufinteressent über seine wahren Absichten getäuscht hat. Eine Besitzaufgabe ist nicht unfreiwillig, wenn sie durch Täuschung bestimmt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1953 – IV ZR 181/52, juris Rn. 22, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 10, 81; MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl., § 935 Rn. 7; Staudinger/Wiegand, BGB [2017], § 935 Rn. 11; Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl., § 935 Rn. 5).
  2. b) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Klägerin die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug bei dessen Überlassung zum Zwecke der Probefahrt nicht nur gelockert, sondern auf den (vermeintlichen) Kaufinteressenten übertragen hat. Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt – weil auch keine Besitzdienerschaft vorliegt (dazu unter I.1.c)cc)) – zu einem freiwilligen Besitzverlust.

[…]

  1. c) Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht dagegen an, dass die Klägerin trotz Übertragung der unmittelbaren Gewalt über das Fahrzeug an den Kaufinteressenten nach § 855 BGB unmittelbare Besitzerin geblieben ist, weil dieser ihr Besitzdiener sei.
  2. aa) Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats allerdings zutreffend davon aus, dass ein unfreiwilliger Besitzverlust im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB – unter im Einzelnen streitigen Bedingungen – auch durch das eigenmächtige Handeln eines Besitzdieners eintreten kann (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember 2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 9 mwN).
  3. bb) Ob ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ggf. in entsprechender Anwendung des § 855 BGB als Besitzdiener des Verkäufers einzuordnen ist, ist streitig.

[…]

  1. cc) Der Senat hat die Frage bisher offengelassen (zuletzt: Senat, Urteil vom 17. März 2017 – V ZR 70/16, NJW-RR 2017, 818 Rn. 11 f.). Er entscheidet sie dahin, dass in Fällen wie dem vorliegenden weder eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung des § 855 BGB in Betracht kommt. Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht Besitzdiener des Verkäufers. Ist – wie hier – mit der Überlassung des Fahrzeuges keine bloße Besitzlockerung verbunden, liegt daher kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vor, wenn das Fahrzeug nicht zurückgegeben wurde.“