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Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr, oder: „Auf den Schaden kommt es an“

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Strafrecht

Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr, oder: „Auf den Schaden kommt es an“

Heute eine weitere Entscheidung aus dem Bereich Untersuchungshaft / Haftbefehl – genauer: Zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO. Das OLG Frankfurt hatte sich im OLG Frankfurt, Beschluss  v. 14.09. 2016 – 1 Ws 126/16  mit der Frage zu beschäftigen, ab wann eine „die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Tat“ i.S.d. § 112a StPO vorliegt. Bei Vermögensdelikten spielt insoweit natürlich auch immer die Höhe des eingetretenen Schadens eine Rolle. Dieser war dem OLG Frankfurt „zu gering“ um den Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr aufrechtzuerhalten. Der Senat führte wie folgt aus:

 

OLG Frankfurt, Beschluss  v. 14.09. 2016 – 1 Ws 126/16 

 

„Den im angefochtenen Beschluss angenommenen und auch von der Generalstaatsanwaltschaft bejahten Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StGB hält der Senat ebenso nicht für gegeben.

Dieser Haftgrund setzt voraus, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat im Sinne des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO begangen zu haben. Bereits diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Senates vorliegend nicht festzustellen. Da die Katalogtaten des § 112a Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 StPO schon generell schwerwiegender Natur sind, kann das Merkmal „die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigend“ vom Gesetzgeber nur als weitere Einschränkung des Haftgrundes gemeint sein (Senatsbeschlüsse vom 12.01.2000 – Az.: 1 Ws 161/99; 09.04.2008 – Az.: 1 Ws 44/08; 22.10.2010 – Az.: 1 Ws 98/10; 22.02.2011 – 1 Ws 16/11; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl. 2007, § 112a Rn. 33 f.; KK-Graf, StPO, 7.Aufl. 2013, § 112a Rn.14 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 112a Rn. 9), zumal aus Verfassungsgründen eine restriktive Auslegung dieses Haftgrundes geboten ist (vgl. BVerfGE 35, 185 f. ). Es können daher nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehalts bzw. nur solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen, als Anlasstaten in Betracht kommen (Senatsbeschluss vom 22.10.2010 – Az.: 1 Ws 98/10; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 112a Rn. 9; OLG Karlsruhe, StV 2002, 147). Dabei muss jede einzelne Tat ihrem konkreten Erscheinungsbild nach den erforderlichen Schweregrad aufweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 24.11.2009 – Az.: 1 Ws 126/09 m.w.N.). Bei gewerbsmäßiger Hehlerei nach § 260 StGB als Anlasstat ist maßgeblich auf den Unrechtsgehalt der Tat abzustellen und danach zu fragen, ob diese in ihrer konkreten Ausgestaltung die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt hat. Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei insbesondere auch Art und Umfang des jeweils angerichteten Schadens (Senatsbeschluss vom 12.01.2000, 1 Ws 161/99; OLG Karlsruhe, StV 2002, 147). Die Tatschwere nach dem Gesamtschaden zu bewerten, ist unzulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 12.01.2000, 1 Ws 161/99; OLG Karlsruhe, StV 2002, 147).

Unter Beachtung dieser Grundsätze können die dem Beschuldigten konkret vorgeworfenen Taten nicht als die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigend angesehen werden.

Den Taten zu Fall 5 – 10 kann ein überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt und Schweregrad im Rahmen der denkbaren Fallgestaltungen der gewerbsmäßigen Hehlerei nicht zuerkannt werden, was auch die Kammer und die Generalstaatsanwaltschaft erkannt und darauf den Haftgrund nicht gestützt haben. Vielmehr weisen sie insgesamt nur ein durchschnittliches Erscheinungsbild auf, nachdem es sich um die Abnahme von Diebesgut aus Ladendiebstählen gehandelt hat, dessen Wert in jedem Fall unter 200,00 Euro lag.

Aber auch bei den Taten zu Fall 1 – 4 kann ein überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt und Schweregrad im Rahmen der denkbaren Fallgestaltungen der gewerbsmäßigen Hehlerei nicht hinreichend sicher festgestellt werden. Denn unter Beachtung der obigen Feststellungen liegt bereits kein zureichender Verdacht der Abnahme des gesamten Stehlgutes vor. Des Weiteren muss aber auch beachtet werden, dass in sämtlichen Fällen die Gesamtschäden auf Schätzungen der Geschädigten beruhen. Dies ergibt sich aus den in den Fallakten befindlichen Listen. Lediglich im Fall 4 vermochte die Geschädigte keine Angaben zum Schätzwert des Schmuckes machen zu können. Die Kammer hat dort in der Folge bei vorsichtiger Schätzung der rund 4 Seiten der Fallakte umfassenden Liste des Stehlgutes einen Gesamtwert in Höhe von lediglich 1.000,00 Euro angenommen. In den Fällen 1 – 3 hätte dies auf Grundlage der zu großen Teilen nicht belegten Schätzungen der Geschädigten ebenso durch den Haftrichter erfolgen müssen. Der Senat geht daher auch in diesen Fällen unter Beachtung der Umstände, dass der Beschuldigte allenfalls einen Teil des Stehlgutes angekauft hat und einer durch den Tat- und Haftrichter vorzunehmenden Wertschätzung nur dieser Stücke in den Fällen 1 bis 3 von Schäden deutlich unter der Grenze der Erheblichkeit im Sinne des Haftgrundes aus (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 12.01.2000, 1 Ws 161/99, OLG Naumburg, Beschluss vom 26.07.2011, 1 Ws 615/11, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010, 3 Ws 161/10, juris).“